kirisk.de:: Mein Leben
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MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 23.03.2010 18:00»Tun wa`s noch`n bisschen?«Im Gerhardingerhaus soll es in den 70er und 80er Jahren zu Übergriffen gekommen sein.
Kempten hat offenbar seinen ersten öffentlichen Fall von sexuellem Missbrauch in einer katholischen Jugendeinrichtung: Gegenüber dem KREISBOTE berichtete der heute in Berlin lebende Stefan S. von seinen Erlebnissen im Gerhardingerhaus, wo er von 1976 bis 1986 lebte. Über Jahre hinweg soll sich der damalige Hausmeister der Einrichtung an ihm vergangen haben. Dazu kamen Schläge der Schwestern und sexuelle Übergriffe älterer Heimbewohner, berichtet S. weiter. Zu einem Verfahren gegen den Beschuldigten kam es aber nie, da S. zu spät zur Polizei ging. Der Hausmeister soll heute bei der Diakonie in Kempten arbeiten.
Die Missbrauchsfälle in katholischen Jugendeinrichtungen haben jetzt offenbar auch Kempten erreicht. Im Gespräch mit dem KREISBOTE bezichtigte der 41-jährige Kemptener Stefan S. einen ehemaligen Hausmeister (Name der Redaktion bekannt) des Gerhardingerhauses, eine Einrichtung der Katholischen Waisenhausstiftung, des sexuellen Missbrauchs. Begonnen haben sollen die Übergriffe des Mannes Ende der 70er Jahre während eines Besuchs des Oberstdorfer Schwimmbads. Da ist doch nichts dabei, wenn zwei Männer es sich mal machen, oder?", soll der Mann zu dem damals 12 Jahre alten S. gesagt haben. Laut S. hat sich der Vorfall in der Umkleidekabine des Bades abgespielt. Damit begann ein jahrelanger Leidensweg für den Jungen, das erst Mitte der 80er Jahre endete.
Ihre Kommentare24.03.2010 16:00, Isny, Sonja (nicht geprüft)Hallo zusammen, ich war in der Zeit von 1983 - 1991 in dem Heim wohnhaft und bin total schockiert ,was ich da lese. Denn ich kann sexuellen Missbrauch und Misshandlungen durch die Schwestern überhaupt nicht bestätigen. Im Gegenteil, die Schwestern waren alle sehr nett,liebevoll und fürsorglich. Ich bin sehr froh, daß ich dort wohnen durfte und habe dort auch vieles gelernt. Bis heute habe ich noch zu einer dieser Schwestern Kontakt. Ich bin wirklich sehr erschüttert deswegen . Ich kann nur nocheinmal betonen, daß es sehr schön dort war,und es mir wirklich gut ergangen ist. Ich hoffe auch , dass jetzt das "Bild" von den Schwestern nicht schlecht erscheint! MELANIE LÄUFLE, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 23.03.2010 20:00Stadt bestätigt Missbrauchsfall in KemptenDen Missbrauchsfall im Gerhardingerhaus bestätigte die Stadt am Dienstag.
"Uns hat in Kempten das Thema sexueller Missbrauch eingeholt", eröffnete Stadtdirektor Peter Riegg, Leiter des Verwaltungs- und Finanzreferats, am heutigen Dienstagmittag eine Pressekonferenz zum Thema. Damit hat die Stadtverwaltung auf die vom KREISBOTE recherchierte Geschichte (siehe anderer Artikel) reagiert und sie bestätigt.
Vergangene Woche hätten unter anderem einzelne Kommunalpolitiker und das Gerhardingerhaus eine E-mail erhalten, wo das Opfer beschrieb, dass früher im Gerhardingerhaus vom Hausmeister sexuell missbraucht wurde. "Wir waren von dieser E-mail überrascht. Bis auf den Leiter des Stiftungsamtes, Helmut Dreher, war uns der Fall nicht gegenwärtig", so Riegg.
Ihre Kommentare23.03.2010 23:28, Kempten, Wolfgang (nicht geprüft)Hallo zusammen, war in dieser Zeit ebenfalls in dem Heim untergebracht, einen sexuellen Missbrauch kann ich nicht bestätigen, Übergriffe der Nonnen und älterer Mitbewohner in Punkto Härte/Schläge aber schon. War eine Kunst sich dort täglich sich zu beweisen! 25.03.2010 01:04, Kempten, Viola (nicht geprüft) Hallo Ihr alle, unglaublich das ich heute diesen Text im Kreisboten lesen musste. Erst jetzt, seit es in den Medien um sexuelle Übergriffe in kirchlichen Einrichtungen aufgegriffen wird, wird überraschender Weise auch Stefans Leidensweg, und er war bestimmt nicht der Einzige, öffentlich bekannt. Als ich 1997 erfuhr was ihm wiederfahren ist, wurde mir jedesmal, wenn ich den Hausmeister zufällig sah, kotzübel. Plötzlich fiel mir eine Situation ein, als damals, es muss so um 1984 gewesen sein, zwei andere Jungs aus unserem Heim auf mich zugerannt kamen und riefen "Boa hey, H., die Schwule Sau, will mir an den Schwanz fassen". So zur Jahrtausendwende war mein Sohn im Kindergarten auf dem Bühl, dieser gehört zur Diakonie Kempten. Als ich ihn eines Tages abholte, musste ich mit großem Schrecken feststellen, das auf dem Spielplatz des Kindergartens genau jener Hausmeister arbeitete, der sich an Stefan vergangen hat. Ein paar Tage später bin ich zur Leiterin des Kindergartens gegangen um sie über das frühere Leben des Hausmeisters aufzuklären. Für mich ist es absolut unverständlich, wie so ein Mensch, egal ob verjährt oder nicht, überhaupt in der Nähe von Kindern sein darf! Ich wurde von der Leiterin mit der Aussage abgespeist, er würde sowieso nicht in die Nähe der Kinder kommen und außerdem habe er einen Unfall gehabt und würde wahrscheinlich sein Leben im Rollstuhl verbringen müssen. Fakt ist, noch heute sieht man ihn in Kempten, und meist hat er sehr junge Burschen/Jungs (Opfer) um sich. Misshandlungen kenn ich nur von EINER EINZIGEN Nonne. Jeder aus dem Heim wird genau wissen, von wem ich spreche. Allgäuer Zeitung Kempten | Von Sabine Beck | 24.03.2010 10:08 UhrMissbrauch im Heim holt Stadt nach 25 Jahren einGerhardingerhaus - Sexuell Belästigter fordert Aufarbeitung: «Damals bewusst weggesehen»«Ich habe geweint. Nächtelang. Getrauert. Über meine
verlorene Kindheit und Jugend. Ich hatte Schmerzen, die kaum
auszuhalten waren. Habe nachgedacht. Endlos. Dass ich Kopfschmerzen
davon hatte.» Über zehn Jahre ist es her, dass Stefan S. diese Zeilen
schrieb. Sie sind ein Teil seiner Lebensgeschichte. Einer
Lebensgeschichte, die von sexuellem Missbrauch handelt.
Dass er im Jetzt leben und wieder Lebensmut schöpfen wolle, notierte Stefan S. damals. Doch der Missbrauch, der sich vor rund 25 Jahren im Gerhardingerhaus in Kempten ereignet haben soll, holt ihn offensichtlich immer wieder ein. In einer E-Mail unter anderem an einzelne Kemptener Kommunalpolitiker, Vertreter des Jugendamts, das Gerhardingerhaus und die «Armen Schulschwestern», die das Haus damals leiteten, fordert er, dass sein Fall aufgearbeitet wird. «Das werden wir tun», meinte gestern bei einer Pressekonferenz Peter Riegg, Chef des städtischen Verwaltungs- und Finanzreferats. Im Jahr 1976, schilderte Riegg, kam der heute 40-jährige Stefan S. mit seinem Bruder ins Gerhardingerhaus, das bis 1994 vom Orden der «Armen Schulschwestern» geführt wurde. Der damals Siebenjährige hatte eine enge Beziehung zu seiner Mutter, die aber schwer krank war und bald darauf starb. Der Vater kümmerte sich so gut wie nicht um die Söhne. Zu dem Missbrauch soll es dann ab September 1984 durch den neu eingestellten Hausmeister gekommen sein. Damals war Stefan S. 15 Jahre alt. Der Missbrauch soll bis Mitte 1986 gedauert haben, als Stefan S. auszog. Die Stadt, so Riegg, wurde mit den Vorfällen erstmals im März 1997 konfrontiert. Damals hatte die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen bereits eingestellt, weil alle in Frage kommenden Straftatbestände - sexueller Missbrauch von Kindern, sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen und sexuelle Nötigung - verjährt waren. Strafantrag war nämlich erst im Oktober 1996 gestellt worden. Als die Staatsanwaltschaft die Stadt dann über ihre Ermittlungen informierte, entließ diese den Hausmeister sofort. «Wir sind überzeugt davon, dass da etwas war», erläuterte Riegg: «Der Hausmeister hat die Anschuldigungen gegen ihn nicht bestritten.» Zumal strafrechtlich ohnehin nichts mehr unternommen werden konnte, sei der Fall für die Stadt mit der Entlassung erledigt gewesen, so Riegg und Jugend-, Schul- und Sozialreferent Benedikt Mayer. Bis vergangenen Dienstag die E-Mail von Stefan S. ankam. «Er fordert, dass sich die Beteiligten mit dem Fall befassen. Das kam in der Vergangenheit sicher zu kurz», meinte Riegg. Ziel sei nun «eine offene und transparente Aufarbeitung, bei der das Opfer mit einbezogen wird». Deshalb solle es mit Stefan S. ein Gespräch geben. Dabei wolle man ihm aber auch klarmachen, betonte Helmut Dreher, Leiter des Stiftungsamts, «dass das Haus früher und das Haus heute nichts mehr miteinander gemein haben». Niemand von 1986 sei mehr vor Ort. Klären wolle die Stadt, ob dem heute 40-Jährigen in den 90er Jahren für seinen Strafantrag tatsächlich die Akten des Jugendamts im nötigen Umfang zur Verfügung gestellt wurden. Laut Stefan S., so erläuterte dieser gestern gegenüber der AZ, war das nicht der Fall: «Ich durfte die Unterlagen vom Jugendamt nicht vollständig einsehen.» «Wachsamkeit schaffen» Doch was bezweckt der 40-Jährige eigentlich nach 25 Jahren mit seiner E-Mail? «Durch die Berichterstattung über die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche wurde jetzt eine Öffentlichkeit für dieses Thema geschaffen», ist Stefan S. überzeugt. Er möchte, «dass die Leute, die damals die Verantwortung hatten und sie nicht wahrgenommen haben, sich dessen bewusst werden». Dieser Vorwurf geht an die «Armen Schulschwestern», die nach seiner Meinung bewusst weggesehen hätten. «Ich möchte eine Wachsamkeit schaffen», meint er. Der Hausmeister, der nie verurteilt wurde, hat übrigens eine
Anstellung bei der Diakonie in Kempten erhalten. «Wir wussten von dem
Vorfall, aber jeder bekommt eine neue Chance», sagt Helmut Mölle,
Verwaltungsrat der Diakonie. Kontakt zu Kindern habe der Mann bei
seiner Tätigkeit, «mit der wir hochzufrieden sind», nicht. Allgäuer Zeitung Kempten (az) | 24.03.2010 17:58 Uhr«Wir wollen Herrn S. helfen»Sexueller Missbrauch - Nach 25 Jahren suchen Stadt und Orden Kontakt zu OpferEs ist Aufarbeitung, die Stefan S. rund 25 Jahre nach
seinem sexuellen Missbrauch durch den Hausmeister im Gerhardingerhaus
(wir berichteten) fordert. Diejenigen, «die damals die Verantwortung
hatten und sie nicht wahrgenommen haben, sollen sich dessen bewusst
werden», sagt der 40-Jährige. In der Verantwortung sieht S. vor allem
das Jugendamt und die «Armen Schulschwestern», die damals das Haus
leiteten. Die Stadt wie auch der Orden wollen sich nun mit Stefan S. in
Verbindung setzen.
Warum haben die Ordensschwestern damals nichts unternommen? Wie hätte es sein können, dass die Schwestern - da sie doch 24 Stunden bei den Kindern waren - nichts gemerkt haben? Diese Fragen beschäftigen Stefan S. noch heute. Und er erhebt weitere Anschuldigungen. In der E-Mail, die er vergangene Woche unter anderem an die Stadt, den Orden und die Stadtratsfraktionen schickte, beschreibt er: «Die Schwestern haben geschlagen, getreten, misshandelt in der übelsten Form.» Zu diesen Vorwürfen will man sich beim Orden der «Armen Schulschwestern» in München vorerst nicht äußern. Nach Erhalt der E-Mail habe man nun eine Rechtsanwältin eingeschaltet, erläutert Provinzoberin Schwester Charlotte Oerthel auf Nachfrage der AZ. Diese werde sich zunächst mit der Stadt in Verbindung setzen, damit man anschließend gemeinsam Kontakt zu Stefan S. aufnehme. «Wenn jemand wie er psychisch leidet, müssen wir schauen, was wir da nach Jahrzehnten tun können», meint Oerthel: «Wir müssen darüber reden und versuchen, die Dinge zu bewältigen - damit es gut wird für die Zukunft.» Dass man für eine Aufarbeitung auch die Schwestern, die damals vor Ort waren, mit einbezieht, hält die Provinzoberin für ausgeschlossen: «Viele sind schon tot und die, die noch leben, sind krank.» Wie der Kontakt mit Stefan S. sich letztendlich gestalten wird und wie die Aufarbeitung dann aussieht, sei derzeit noch völlig offen. Mediation vorgeschlagen «Wir wollen Herrn S. helfen», betont auch Peter Riegg, Verwaltungsreferent der Stadt. Er erwartete noch gestern den Anruf der Anwältin des Schwesternordens. «Ein gemeinsames oder zumindest abgestimmtes Vorgehen ist da schon sinnvoll», sagt Riegg. Von Seiten der Stadt wolle man eine Mediation vorschlagen und diese auch angehen - «sofern das Opfer einverstanden ist», so Riegg. Wichtig sei aber nun zunächst, erst einmal Kontakt mit Stefan S. aufzunehmen. (bec) MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 31.03.2010 14:00»Zur Verantwortung stehen«Für die Aufarbeitung der Vorfälle im Gerhardingerhaus vor allem in den frühen 80er Jahren schlägt die Verwaltung nun eine Mediationsrunde vor.
Wenn Stefan S. vom Gerhardingerhaus redet, benutzt er
oft den Begriff "Sumpf", der trocken gelegt werden sollte, oder
"schwarze Vergangenheit", die aufgearbeitet werden müsse. Die
Stadtverwaltung und der Orden der Armen Schulschwestern in München
scheinen dazu mittlerweile bereit. "Wir wollen das Thema aufarbeiten",
versicherte am vergangenen Freitag Stadtdirektor Peter Riegg gegenüber
dem KREISBOTEN. Deshalb habe man bereits in der vergangenen Woche
versucht, Kontakt mit S. aufzunehmen. Weitere mögliche Opfer haben sich
bis Freitag nicht gemeldet.
Jahrelang will der heute in Berlin lebende Stefan S. in den 70er
und 80er Jahren im Gerhardingerhaus nicht nur von einem Hausmeister
sexuell missbraucht worden sein (der KREISBOTE berichtete). Fast
tagtäglich sei es auch zu Misshandlungen durch die Schwestern vom Orden
der Armen Schulschwestern gekommen, die seinerzeit das Gerhardingerhaus
betreuten. "Misshandlungen und Schläge waren an der Tagesordnung",
berichtete S. gegenüber dem KREISBOTE. Dazu kamen sexuelle Übergriffe
älterer Heimbewohner auf S.
Ihre Kommentare31.03.2010 16:00, Kempten, Matthias Matz (nicht geprüft)Zu spät gehandelt? Schade. Eigentlich hätte die Verwaltung ein Lob verdient. Schnell und entschlossen hatten sich Peter Riegg, Benedikt Mayer und Helmut Dreher am vorvergangenen Dienstag in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gewandt und den ersten Missbrauchsfall in Kempten bekannt gegeben. So schien es jedenfalls. Bei genauerem Hinsehen wirkt das Handeln der drei jedoch weitaus weniger schnell und entschlossen. Im Gegenteil: Das Verhalten der Stadtverwaltung wirft Fragen auf. Vor allem muss sich die Administration die Frage gefallen lassen, warum man eine Woche brauchte, um die Vorgänge im Gerhardingerhaus öffentlich zu machen. Die besagte E-mail von Stefan S. erreichte das Gerhardingerhaus, Mitarbeiter der Verwaltung und die Spitzen der Stadtratsfraktionen bereits am Montag, 15. März, spätabends. Erst am Dienstag, 23. März, nachdem der KREISBOTE am Tag zuvor erste Anfragen bei Gerhardingerhaus und Verwaltung gestellt hatte, machte man den Fall eiligst in der Presse publik. Dafür, dass tatsächlich erst gehandelt wurde, als bereits Gefahr in Verzug war und die Angelegenheit drohte, ungefiltert öffentlich zu werden, sprechen einige Indizien. Zum einen sind da die äußeren Umstände. Am Montagnachmittag, 22. März, fragte der KREISBOTE erstmals beim Jugendamt an. Statt des angekündigten Rückrufs von Amtsleiter Matthias Haugg erfolgte am Dienstagvormittag um 10.01 Uhr per E-mail aus dem OB-Büro die kurzfristige Einladung an alle Kemptener Medien zu einer Pressekonferenz zwei Stunden später. Der Betreff lautete: "Gerhardingerhaus der Katholischen Waisenhausstiftung". Wer die verwaltungsinternen Abläufe kennt, wurde hier zum ersten Mal stutzig - denn der Chef der Verwaltung, OB Dr. Ulrich Netzer (CSU), weilte zu diesem Zeitpunkt im Urlaub. Allerdings ist kaum davon auszugehen, dass man ohne den Rathauschef mit einem derart heiklen Thema an die Medien herangetreten wäre, wenn es sich hätte vermeiden lassen. Zumal, wenn man weiß, dass ohne Netzers Okay in der Regel kein Punkt oder Komma das Rathaus verlassen. Außerdem werden Pressekonferenzen im Normalfall für alle Beteiligten bereits in der Woche zuvor angekündigt. Warum also jetzt diese ungewöhnliche Eile? Gegen eine schnelle Aufklärung und größtmögliche Transparenz spricht auch der Umstand, dass am Mittwoch vorvergangener Woche (17. März) der Personalausschuss tagte. In dem sind unter anderem die Spitzen der Fraktionen im Stadtrat und der Stadtverwaltung vertreten. Also all diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt mindestens seit einem Tag Kenntnis von der E-mail aus Berlin hatten. Angesichts der Brisanz und Aktualität von Missbrauchsfällen in ganz Deutschland darf es wohl als gesichert gelten, dass sich das Gremium an diesem Tag hauptsächlich mit dem Fall Stefan S. beschäftigt hat. Dass in den Tagen nach der Personalausschuss-Sitzung über Inhalt und Verlauf so gar nichts nach draußen gelangte, lässt die Vermutung zu, dass die Runde striktes Stillschweigen vereinbart hat. Auch wenn die Verantwortlichen gerade noch so die Kurve gekriegt haben - man kann sich des Eindrucks nicht erwehren, dass es ihnen lieber gewesen wäre, die ganze Angelegenheit wäre stillschweigend vergessen worden. Gehandelt wurde jedenfalls erst als es keine Alternative mehr gab. Allgäuer Zeitung Kempten (az) | 13.04.2010 14:53 UhrMissbrauchsopfer lehnt Gespräch vorerst abGerhardingerhaus - Angebot der Stadt ausgeschlagen - Weitere Vorwürfe25 Jahre ist es her, dass Stefan S. im Gerhardingerhaus
durch den Hausmeister sexuell missbraucht wurde. Heute fordert er von
allen Beteiligten Aufarbeitung. Aber nicht seinetwillen: «Ich komme mit
meinem Leben schon klar, meine Internetseite war meine Therapie», meint
S. «Die sollen bei sich aufräumen», ist seine Forderung an die Stadt,
das Gerhardingerhaus und die Armen Schulschwestern, die die Einrichtung
damals leiteten. Eine Einladung der Stadt zu einem moderierten Gespräch
schlug er vorerst aus.
«Sie dürfen versichert sein, dass auch wir an einer Aufklärung großes Interesse haben und Sie bei Ihrem Wunsch auf Aufarbeitung unterstützen werden», heißt es in einer E-Mail, die Verwaltungsreferent Peter Riegg und Benedikt Mayer, Leiter des Jugend-, Schul- und Sozialreferats, am 25. März an S. schickten. Eine offene und transparente Klärung werde für die Stadt selbstverständlich sein. Riegg und Mayer schlugen S. vor, «im Rahmen eines moderierten Gesprächskreises mit Vertretern der Schwesterngemeinschaft, der Katholischen Waisenhausstiftung und der Jugendhilfe die Vorgänge soweit noch möglich aufzuarbeiten zu versuchen». Dafür solle S. nach Kempten kommen. Noch nicht bereit Noch, betonte S. gestern am Telefon gegenüber der AZ, sei er dafür nicht bereit. Er erwarte vielmehr von allen Verantwortlichen eine offizielle Entschuldigung, «irgendeine Form der Wiedergutmachung» und die Bereitschaft «zu einer ehrlichen und kompromisslosen Aufarbeitung». Diese vermisse er bislang, betont S. und erhebt weitere Vorwürfe. So sei er nicht erst ab einem Alter von 15 Jahren vom Hausmeister missbraucht worden, sondern bereits drei Jahre zuvor. Auch habe es Übergriffe von einem anderen Heimbewohner gegeben und die Schulschwestern hätten nicht nur ihn, sondern auch andere Kinder körperlich misshandelt. Der Heimleiter und Vertreter des Jugendamts hätten weggesehen. «Ich will und brauche keine Hilfe», sagt S. «Für die Verantwortlichen muss es Konsequenzen geben.» Denn was damals geschehen sei, sei zwar rechtlich verjährt, nicht aber moralisch. «Wir sind ja bereit zur Aufarbeitung, aber nach all den Jahren ist das nicht so einfach», betont dagegen Mayer. Teilweise seien Akten bereits vor vielen Jahren vernichtet worden und viele Vorwürfe ließen sich durch die vorhandenen Unterlagen einfach nicht belegen. Noch gestern schrieb er S. auf seine Antwort-E-Mail, die ebenfalls gestern bei der Stadt einging, zurück. «Darin machen wir ihm noch einmal das Angebot, ein Gespräch mit den Beteiligten zu führen», so Mayer. Seiner Ansicht nach kann die ganze Angelegenheit nur im direkten Kontakt geklärt werden. (bec) MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 13.04.2010 20:00»Ehrlich und kompromisslos«
Das Missbrauchsopfer Stefan S. hat seine Teilnahme an
einer Gesprächsrunde mit Verantwortlichen der Stadtverwaltung und des
Ordens der Armen Schulschwestern an verschiedene Bedingungen geknüpft.
Grundvoraussetzung sei die Bereitschaft, die Vorfälle im
Gerhardingerhaus (der KREISBOTE berichtete mehrfach) "ehrlich und
kompromisslos" aufzuarbeiten, betonte S. am Montag. Unterdessen hat die
Stadtverwaltung in einem zweiseitigen Brief an den KREISBOTEN und
sämtliche Kemptener Stadträte die Kritik an ihrem Vorgehen
zurückgewiesen.
"Ich habe mich entschlossen, erst mal nicht nach Kempten zu
fahren", sagte S. gegenüber dem KREISBOTEN. Drei Bedingungen stellt er
für seine Teilnahme an einer Gesprächsrunde in Kempten, erklärte er am
Montag. Voraussetzung für sein Kommen sei zum einen, dass "die Stadt
Kempten, die Stiftungsverwaltung, das Gerhardingerhaus und das Kloster
zu einer ehrlichen und kompromisslosen Aufarbeitung bereit sind",
betonte er. Dazu gehöre auch die Anhörung aller Beteiligten, vor allem
der damaligen Schwestern und Beteiligte des Jugendamtes. "Dazu gehören
auch Konsequenzen", so S. weiter. Darüber hinaus fordert er einen
Vorschlag, "wie eine Entschädigung der damaligen Opfer" aussehen
könnte. Ihre Kommentare14.04.2010 14:53, Altusried, Elisabeth G. (nicht geprüft)ich war auch von 1974-1976 im gerhardingerhaus und kann nur bestätigen das dort mißhandlungen an uns kindern stattgefunden hat. 20.04.2010 17:28, Kempten, Florian W (nicht geprüft) da ich ja jetzt schon jede woche diese Artikel von S ertragen und lesen muss, muss ich jetzt mal was sagen ich war selber 14 jahre im Gerhardingerhaus kam mit 15 monaten dort hin also ca mitte 1979-1994, sicher wars ne harte zeit und es gab gewalt aber S was willst du jetzt noch erreichen es ist vorbei warum hast es net 1997 weiterverfolgt und dein Rachefeldzug zu Ende gebracht? was soll das jetzt? nicht nur du hast Schläge bekommen!!!!! wir alle die dort waren!!! so war halt damals die Zeit!! zu dem sexuellen missbrauch der gegen den Hausmeister vorgebracht wurde kann ich nichts sagen!!! zu mir war der Hausmeister immer top in Ordnung mir hat er nix getan!! so hart es manchmal war ich war froh das ich im Heim war die andere Alternative wäre nicht besser gewesen für mich und ich wäre nicht das was ich heute bin!! es hat mich hart gemacht!!! um mal zu dem feinen Dr Dr. Spindler zu kommen er hat einige von uns einzeln lange verhört alles auf kassette aufgenommen und fragen sie ihn doch mal für was er diese Aufnahmen missbraucht hat!! wo die kassetten hingekommen sind von unseren verhören!!!!!!!!!!! das würde mich mal brennend interessieren ich werfe ihm vor das er sie für seine eigenen Zwecke missbraucht hat!!!!!!!!!!!!!! ich von meiner seite habe mit der Vergangenheit meinen frieden geschlossen ich klage keiner der nonen an oder sonst jemand wegen gewalt!!! ich habe für mich den Vorsatz geschworen es eines Tages besser zu machen das ist das einzigste was man tun kann ich will auch mit dem ganzen nix mehr zu tun haben es ist vorbei!!!!!! Vergangenheit!!!! aber das musste jetzt mal raus da ich das jetzt schon woche für woche lesen muss MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 20.04.2010 20:00»Antiquirierte Methoden«
"Die Schwester haben zugeschlagen, zugeschlagen,
zugeschlagen. Oder weggesehen." Nach dem heute in Berlin lebenden
Stefan S. haben sich in den vergangenen Wochen weitere ehemalige
Heimbewohner des Gerhardingerhauses beim KREISBOTEN gemeldet und von
Misshandlungen und Schlägen durch die Schwestern berichtet. Aussagen
von ehemaligen Kinderpflegerinnen und einem ehemaligen Psychologen
legen zudem nahe, dass Heimleitung und Verantwortliche in der
Stadtveraltung davon zumindest etwas geahnt haben müssen.
Von sexuellem Missbrauch wisse er zwar nichts, schreibt
beispielsweise ein ehemaliger Heimbewohner im Internet-Forum des
KREISBOTEN. Die "Übergriffe der Nonnen und älterer Mitbewohner in
punkto Härte und Schläge" könne er aber bestätigen. Elisabeth G.
schreibt: "Ich war auch von 1974 bis 1976 im Gerhardingerhaus und kann
nur bestätigen, dass dort Misshandlungen an uns Kindern stattgefunden
haben." Eine Isnyerin meint hingegen: "Im Gegenteil, die Schwestern
waren alle sehr nett, liebevoll und fürsorglich. Ich bin sehr froh, daß
ich dort wohnen durfte und habe dort auch vieles gelernt."
MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 27.04.2010 09:37Akten unterwegs
Die Stadtverwaltung ist dem Wunsch von Stefan S. nach
Akteneinsicht nachgekommen und hat ihm am Freitag die betreffenden
Unterlagen zugesandt. Das gab OB-Sprecherin Christa Eichhorst am Montag
bekannt. Mittlerweile hat auch das Bistum Augsburg Kontakt zu dem
Missbrauchsopfer aufgenommen.
Otto Kocherscheidt, Beauftragter der Diözese für sexuellen
Missbrauch und körperliche Gewalt, hat sich vergangene Woche mit dem
mittlerweile in Berlin lebenden S. in Verbindung gesetzt. "Wir werden
alles tun, um die Vorfälle aufzuklären", betonte er. Allerdings
benötige das Bistum dafür Zeit, da zunächst geklärt werden müsse,
welche Personen für den fraglichen Zeitraum und die damit verbundenen
Vorwürfe in Betracht kämen. MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 25.05.2010 09:58Suche nach dem GesamtbildStadtverwaltung braucht noch Zeit zur Aufklärung der Vorfölle im Gerhardingerhaus
Die Stadtverwaltung wird noch drei bis vier Wochen brauchen, um die Vorfölle um das Gerhardingerhaus und das Missbrauchsopfer Stefan S. (der KREISBOTE berichtete mehrfach) aufzuklören. Das erklörte Benedikt Mayer, Leiter des Amt für Jugend, Schule und Soliales, am Freitag auf Nachfrage. "Und wenn wir das Bild abgerundet haben, werden wir an die Öffentlichkeit gehen", kündigte er an.
In der vergangenen Woche hatte sich das heute in Berlin lebende Missbrauchsopfer Stefan S. erneut mit einer E-mail an die Stadtverwaltung gewandt. Darin lehnt er einmal mehr die Teilnahme an einem Gespröch mit Vertretern der Stadt und des Ordens vorlöufig ab. "Ich kann der Stadt alle Fragen beantworten, die sie mir stellen. Dafür muss ich nicht nach Kempten reisen", so S. Zudem kritisiert er, dass die mittlerweile bei ihm eingetroffenen Akten weder in einer zeitlichen noch in einer logischen Reihenfolge seien. Außerdem regt er die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses an.
Allgäuer Zeitung Kempten | Von Stefanie Heckel | 29.06.2010 12:09 Uhr«Teilweise drei Ohrfeigen am Tag für die Kinder»Gerhardinger Haus - Missbrauchsbeauftragte und Stadt stellen Untersuchungsergebnisse vorJa, Stefan S. ist im Gerhardinger Haus in den 80er Jahren
vom Hausmeister missbraucht worden. Und: Misshandlungen und körperliche
Züchtigungen von Kindern durch die damals verantwortlichen
Ordensschwestern waren an der Tagesordnung.
Das sind die beiden wesentlichen Erkenntnisse aus den Untersuchungen
zum Fall des früheren Heimkindes Stefan S. Der heute in Berlin lebende
40-Jährige hatte (wie berichtet) im März mit einer E-Mail die
Überprüfung der rund 25 Jahre zurück liegenden Vorfälle im Heim ins
Rollen gebracht. Gruppen mit 15 bis 20 teils verwaisten, teils vernachlässigten und
misshandelten Kindern aus schwierigen Familienverhältnissen - dazu
jeweils eine Ordensschwester. So habe der Alltag im Gerhardinger Haus
vor über zwei Jahrzehnten ausgesehen, berichtete Missbrauchsbeauftragte
Aleiter. Übereinstimmend hätten ihr die damals im Heim beschäftigten
Schwestern von Ohrfeigen und «hartem Durchgreifen» berichtet, um
«Ordnung» in die Gruppen zu bringen. Vom sexuellen Missbrauch an Stefan S. durch den Hausmeister habe aber nach den Aussagen niemand etwas mitbekommen. Wie berichtet, hatte das Opfer 1997 Anzeige erstattet - da waren die Taten jedoch bereits verjährt. Bei der Stadt, so fasste Verwaltungsreferent Peter Riegg zusammen,
sei der Missbrauch ebenfalls erst da bekannt geworden. Anhaltspunkte
für Versäumnisse städtischer Mitarbeiter gebe es nicht. In seinen
E-Mails hatte Stefan S. teilweise auch der Stadt eine Mitschuld an der
späten Aufklärung der Vorwürfe gegeben. Oberbürgermeister Dr. Ulrich Netzer wiederholte sein Bedauern und
bot Stefan S. erneut ein Gespräch an. Dieser lehnte gegenüber der AZ
ab. Lediglich mit Anwältin Aleiter will er sich möglicherweise treffen.
Zumal noch über einen Ausgleich durch den Orden gesprochen werden soll.
Jugendreferent Benedikt Mayer betonte indessen, dass das Gerhardinger
Haus von heute nicht gleichgesetzt werden dürfe mit dem vor 25 Jahren.
Nach dem Weggang der Schwestern habe sich das Haus verändert. MATTHIAS MATZ, Kreisbote Kempten / Isny / Westallgäu, 29.06.2010 18:00Ein Ende ohne Schrecken
Heutigen und ehemaligen Mitarbeitern der
Stadtverwaltung kann man im Zusammenhang mit den Missbrauchs-Vorfällen
im Gerhardingerhaus in den 1980er Jahren (der KREISBOTE berichtete
mehrfach) offenbar keinen Vorwurf machen. Zu diesem Schluss sind die
Verantwortlichen in der Verwaltung gekommen. Dennoch entschuldigte sich
OB Dr. Ulrich Netzer (CSU) am Montagnachmittag öffentlich bei dem
Missbrauchsopfer Stefan S.
"Wir entschuldigen uns dafür, was damals im Gerhardingerhaus
passiert ist", sagte Netzer anlässlich einer Pressekonferenz im
Rathaus. Dort stellten er und die zuständigen Referatsleiter Peter
Riegg und Benedikt Mayer die Ergebnisse ihrer Recherchen hinsichtlich
des Gerhardingerhauses sowie der Missbrauchs- und Misshandlungsvorwürfe
vor. |